Zuletzt aktualisiert am 12. Juli 2024
Wir haben keine Zeit und keine Lust mehr zu kochen. Statistiken zufolge sind es nicht einmal die Hälfte der Deutschen, die täglich kochen. Fast ein Viertel der Deutschen kocht nie oder höchstens einmal die Woche. In Zeiten von Fertigessen und auch Fertigfutter wird einem diese Wahl natürlich leicht gemacht. So steigt der Umsatz der Heimtierbranche für Fertigfutter weiterhin und lag 2019 bei satten 3,308 Milliarden Euro für 34 Millionen Hunde, Katzen, Kleinsäuger und Ziervögel.
In diesem Beitrag erfährst du, weshalb Geiz nicht geil ist, wie die Ernährung sich auf viele Faktoren auswirkt, wieso wir der Politik auf die Füße treten sollten und warum Kochen für dich und deinen Hund nicht nur deine Welt verändert.
Geiz ist geil?
Zumindest was das Essen betrifft, scheint in Deutschland Geiz immer noch geil zu sein. Die Deutschen schneiden im europäischen Vergleich recht schlecht ab, denn sie geben gerade mal 12-15 % ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus, während z. B. die Rumänen fast 30 % ihres Einkommens für Essen ausgeben. In den 1950er Jahren waren es noch bis zu 45 %.
Billig ist eigentlich teuer!
Statt aufwändig selber zu kochen, greifen viele lieber zum billigen Fertiggericht, das zumindest den Schein erweckt, eine ausgewogene Mahlzeit zu sein. Schaut man sich jedoch die Zutatenliste an, ist schnell klar, dass dieser Schein trügt.
Seit Jahren sind wir daran gewöhnt, dass sich die Discounter in der Vermarktung möglichst billiger Nahrungs- und auch Futtermittel überbieten. Dass die Qualität dabei auf der Strecke bleiben muss, ist logisch, scheint aber die meisten nicht zu interessieren. Doch der wahre Preis für die billigen Nahrungsmittel wird an anderer Stelle gezahlt und kostet uns weitaus mehr, als gute Nahrungsmittel kosten würden.
So wirkt sich unsere Ernährung (und Fütterung) aus
Das Ernährungs- und auch Fütterungsverhalten wirkt sich auf viele Bereiche aus und führt dort zu gravierenden Entwicklungen.
Umwelt
Laut dem Bundesamt für Umwelt stammten 2015 7,4 % der gesamten Treibhausgas Emissionen aus der Landwirtschaft, damit ist diese der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen in Deutschland. Einen großen Teil davon verursachte die Nutztierhaltung durch die Freisetzung von Methan. Dabei geht es jedoch vor allem um die Tierhaltung in Massen, welche zudem kaum Weideflächen beansprucht, da die Tiere den größten Teil ihres Lebens in Ställen verbringen.
Die Kuh und das Rind selber sind nämlich gar keine Klimakiller und Weideflächen sogar wichtig für den Klima- und Umweltschutz: Durch beweidende Tiere wird in den Böden die Humusbildung angeregt und Humus wiederum ist ein wichtiger Speicher für Kohlenstoff, ebenfalls ein Treibhausgas.
Im Gegensatz dazu steht, dass Tropenwälder für den Anbau von Futtermitteln für die Massentierhaltung gerodet werden müssen und dann nicht mehr für den Klimaschutz zur Verfügung stehen. Abgesehen davon verschwindet mit den Wäldern natürlich auch der Lebensraum für Tiere und Pflanzen, was wiederum zu einem Rückgang der Artenvielfalt führt.
Apropos Wälder: Der Klimawandel wirkt sich schon jetzt massiv auf unsere heimischen Wälder aus. So berichtet das Holz-Zentralblatt, dass 2020 für die Wälder das 3. Dürrejahr in Folge war, was sich massiv ausgewirkt hat: Während die Holzernte in Deutschland 2002 bis 2012 insgesamt inkl. Schadholz (Holz, das wegen Schädigung durch z. B. Insekten geschlagen wird) ca. 75,5 Millionen Festmeter betrug, waren es 2020 alleine 72,5 Festmeter NUR Schadholz.
Wem das zu theoretisch ist, der kann sich die Veränderung der Waldlandschaft aktuell auch live sehr gut anschauen. Überall sind sie zu sehen, die großen gerodeten Flächen oder die, wo alles nur noch braun und vertrocknet aussieht.
Gesundheit
In der industriellen Landwirtschaft werden beim Anbau von pflanzlichen Nahrungsmitteln Pestizide eingesetzt, die sich natürlich auch in den Nahrungsmitteln wiederfinden. Auch wenn jedes einzelne Nahrungsmittel nicht die vorgegebenen Grenzwerte überschreitet, kann man sich doch vorstellen, dass durch die Menge durchaus Belastungen entstehen, zumal ja noch andere Schadstoffe dazukommen. Auch die Nährstoffgehalte können reduziert sein, denn Gemüse und Obst, das von weit her kommt, wird häufig unreif geerntet.
Tierische Produkte aus der Massentierhaltung können mit Rückständen von Medikamenten oder auch Hormonen belastet sein, was sich natürlich auch auf die Gesundheit auswirken kann. Abgesehen davon erhöht ein hoher Fleischkosum das Risiko für Lebererkrankungen.
Wie bei uns Menschen scheinen auch bei unseren Hunden die Zivilisationserkrankungen wie z. B. Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes, Übergewicht, Darmerkrankungen, Allergien etc. zuzunehmen. Die heutige Ernährung ist dabei ein wichtiger Faktor.
Fertigprodukte haben zumindest für die Menschen meist eine schlechte Nährstoffbilanz und enthalten viel zu viel Zucker oder auch Fett. Fertigprodukte für Hunde sind zwar meist ausbalanciert, was die Nährstoffgehalte angeht, dafür fehlen viele wichtige und gesunde Begleitstoffe der frischen Nahrungsmittel.
Gesellschaft
Was wir billig einkaufen wollen, wurde irgendwo in der Welt auch billig produziert. Viele klein- und mittelständische Landwirtschaftsbetriebe mussten in den letzten Jahren aufgeben wegen der niedrigen Preise, die sie für ihre Produkte erzielten. Aber auch in anderen Ländern zahlen Menschen den Preis dafür, dass wir hier ständig eine große Auswahl billiger Nahrungsmittel haben. Vor allem die pflanzlichen Nahrungsmittel, die wir auch für unsere Hunde von überall auf der Welt importieren, werden oft von Billiglöhnern unter schlechtesten Arbeitsbedingungen angebaut und geerntet.
Wirtschaft
Viele beklagen, sie könnten sich teure Nahrungsmittel für sich oder auch ihren Hund gar nicht leisten, weil sie nicht ausreichend Geld zur Verfügung haben. Das Preisdumping, das natürlich auch von den Discountern geprägt wird, hat jedoch zur Folge, dass auch die Produzenten am Ende nicht viel Geld übrig haben, was sich auf die Lohnzahlungen der Mitarbeiter unmittelbar auswirkt. Und wer wenig verdient, kann sich keine teuren Nahrungsmittel leisten. Es entsteht also ein Kreislauf.
Es betrifft uns alle!
Die Folgen, die die Entwicklung in der Ernährung in den letzten Jahrzehnten mit sich bringen, betreffen uns alle. Niemand bleibt verschont. Sei es der Anstieg der Erkrankungen, sei es der Welthunger, sei es ein schlechteres Einkommen, der Verlust unserer Natur und damit von Regenerationsmöglichkeit, Luftverschmutzung die unsere Wälder immer weniger “auffangen” können oder sei es die erhöhte Wahrscheinlichkeit für weltweite Pandemien, vor deren Ausbruch schon seit Jahren gewarnt wird.
Viele dieser Faktoren sind sehr lange bekannt, trotzdem fällt es der Politik sehr schwer, entsprechend zu reagieren. Wie Organisationen wie z. B. Foodwatch immer wieder aufdecken, muss man als Gründe dafür leider nicht zuletzt auch Lobbyismus unterstellen.
Franz Keller, Starkoch und Landwirt, der Landwirtschafts- und Nahrungsmittelindustrie wiederholt scharf kritisiert hat, sagt dazu:
“Es fehlt an einer Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik, die Umwelt- und Klimaschutz, vor allem aber die Gesundheit und die Wünsche der Bevölkerung ernst nimmt und nicht nur im Interesse großer Konzerne in der Agrarindustrie handelt.”.
Die Politik ist aufgefordert zu handeln
Am 21. August 2020 hat der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) das Ernährungs-Gutachten “Politik für eine nachhaltigere Ernährung” an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner übergeben. Dies nahm auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zum Anlass, von der Bundesregierung mehr Engagement in der Ernährungspolitik zu fordern.
Antje von Broock, BUND-Geschäftsführerin für Politik und Kommunikation:
“Die dringend notwendige Agrarwende kann nur gelingen, wenn sie durch eine sozial-ökologische Ernährungswende begleitet wird. Das bedeutet vor allem, weniger tierische Lebensmittel zu essen, saisonale und regionale Produkte zu bevorzugen und immer öfter zu Bio-Lebensmitteln zu greifen.”
Um verschiedenen massiven Problemen wie Klimanotstand, Welthunger oder auch stark erhöhtes Aufkommen von Zivilisationserkrankungen wie z. B. Adipositas entgegenwirken zu können, brauchen wir eine Ernährungswende.
Wie Kochen die Welt verändern kann
Wir alle gemeinsam können die Nahrungsmittelindustrie zu einem Wandel zwingen. Einfach, indem wir unser Essverhalten und natürlich auch Fütterungsverhalten ändern. Die Nachfrage kann das Angebot bestimmen. Das heißt, wenn wir vermehrt frische und regionale Nahrungsmittel kaufen, die wir Zuhause selber zubereiten und kochen, wird es im Laden auch immer mehr davon geben. Wenn wir Bio fordern, werden wir Bio bekommen.
Wer sicher sein will, dass sowohl auf dem Teller als auch im Napf gesunde und qualitativ hochwertige Nahrungsmittel landen, der MUSS zurück an den Herd und selber kochen. Anders geht es nicht.
Mit der steigenden Forderung nach frischen, gesunden Nahrungsmitteln, die im Einklang mit der Natur stehen, erhöhen wir auch den Druck auf die Politik. Je mehr Wähler sich für eine Ernährungswende mit ihren vielen positiven Folgen stark machen, desto eher werden auch die Politiker bereit sein, ihren Kurs zu ändern.
Auch für den Hund ist es gesund, ihn mit vielen frischen Nahrungsmitteln zu versorgen. Und die Resteverwertung im Hundefutternapf hat nicht nur Tradition, sondern ist absolut ökologisch wertvoll. Auch im Fertigfutter landen die Reste der Lebensmittelproduktion für uns Menschen. Damit machen wir den Hund nicht zum “Müllschlucker”, wie gerne eingewendet wird, es sei denn, unsere eigene Ernährung besteht aus “Müll”.
Warum überhaupt Kochen?
Vor allem in der Hundeernährung hat sich die Ansicht verbreitet, wenn es wirklich gesund sein soll, muss es unbedingt roh sein. Das ist schlicht falsch. Weil viele Nährstoffe auch eine Erhitzung gut überstehen, wie z. B. Proteine. Und weil zumindest ein Teil dieser Nahrungsmittel erst durch Kochen genießbar wird, weil vieles auch schmackhafter wird durch das Garen (auch für den Hund) und weil auch gesunde Nahrungsmittel Schadstoffe/Krankheitserreger enthalten können, die durch eine Erhitzung eliminiert werden können.
Selbstverständlich kann dieses nachhaltige Kochen auch beinhalten, dass man auch einen gesunden rohen Salat isst oder dem Hund z. B. einen rohen Gemüsemix zum Futter gibt. Ich benutze den Begriff “Kochen” hier eher umgangssprachlich, was die Zubereitung der Nahrungsmittel im Allgemeinen meint, ohne Spezialisierung z. B. auf ausschließlich roh.
Tipps für nachhaltiges Kochen für Mensch und Hund
- Vor allem bzgl. der tierischen Produkte ist weniger mehr. Lieber wenig Fleisch (auch für den Hund), dafür gute Qualität von artgerecht gehaltenen Tieren.
- Gemüse saisonal ausgesucht bedeutet eine Vielfalt an Nährstoffen, auch wie sie je nach der Jahreszeit durchaus benötigt werden.
- Fermentierung ist eine Form der Haltbarmachung, die keine Nährstoffe zerstört, dafür den Organismus mit Pro- und Präbiotika versorgen kann, die das Immunsystem unterstützen. Statt auf Konserven zurückzugreifen, kann man sein Gemüse auch mal haltbar machen, indem man es fermentiert. Auch Hunde dürfen davon gerne ihren Teil abbekommen.
- Wie eine nachhaltige Ernährung weltweit aussehen könnte, haben im Januar 2019 37 Experten aus 16 Ländern im Fachjournal The Lancet vorgestellt. Die sogenannte „planetary health diet” ist eine Ernährung, die sowohl die Gesundheit als auch die Umwelt schützt. Diese Ernährung besteht aus einem recht hohen Anteil Vollkorngetreide, nur wenig Fleisch, viel Gemüse und Obst, sowie auch Hülsenfrüchten, Nüssen und gesunden Ölen. An allem kann man auch den Hund teilhaben lassen.
Wenn du nicht weißt, wie du für deinen Hund gesunde und ausgewogene Rationen erstellen sollst, kann dir DIESER Blogartikel dabei helfen.
Wenn du unsicher bist und trotzdem lieber zumindest teilweise Fertigfutter geben möchtest, findest du HIER Tipps, wie du das Fertigfutter mit frischen Nahrungsmitteln aufpeppen kannst.
Und wenn du Sorge hast, dein Hund könnte mit wenig Fleisch schlecht versorgt sein, kannst du HIER und HIER noch mehr zum Thema Fleisch und Hund lesen.
Quellen u. a.:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/92/umfrage/haeufigkeit-des-kochens/
https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/agrarwende-geht-nicht-ohne-ernaehrungswende/
https://www.capital.de/wirtschaft-politik/so-viel-geben-europaeer-fuer-lebensmittel-aus
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